Herr Hoffmann, die Frage nach der Echtheit von klassischen Fahrzeugen und ihrer Historie bewegt die Szene aktuell so stark wie vielleicht noch nie. Wie ist Ihre Sicht auf dieses Thema? Sebastian Hoffmann: Vor allem möchte ich erst mal festhalten, dass die Oldtimer-Szene insgesamt überaus positiv, ehrlich und partnerschaftlich ist. Da sind unzäh- lige Enthusiasten unterwegs, die mit viel persönlichem Einsatz wertvolle Kulturgüter und Traditionen erhalten. Es herrscht ein großartiger Austausch untereinander, und viele Kenner fi nden als Historiker tolle Dinge über unser automobiles Erbe heraus. Aus meiner langen be- rufl ichen Erfahrung weiß ich allerdings, dass an vielen Autos über die Zeit manches verändert wird – das sollte möglichst transparent sein. Und dann gibt es da noch die wenigen, häufi g teuren Objekte mit zweifelhafter oder gefälschter Identität. Umso wichtiger erscheint Ihre Arbeit, damit die schwarzen Schafe und deren Werke aus dem Verkehr ge- zogen werden können. Wie sind Sie dazu gekommen? SH: Als Sachverständiger befasse ich mich seit langem mit klassischen Fahrzeugen – oft mit solchen, bei denen irgendetwas unklar ist. Dass viele Teile ausgetauscht wurden, ist an sich noch kein Problem, eine Komplettres- taurierung bedingt das häufi g. Aber irgendwann wurde es kniffl ig bei der Frage: Ist das noch dasselbe Auto? Viele Replikas sind so gut gemacht, dass es selbst für einen Sachverständigen sehr anspruchsvoll wird, sie zu erkennen. Deshalb haben wir gemeinsam mit Spezia- listen aus den Bereichen Metallurgie, Materialprüfung, Verfahrenstechnik, Röntgen, Ultraschall und anderen angefangen, sehr exakte Messtechniken zu entwickeln und für unseren Anwendungsbereich zu adaptieren. Heute können wir zum Beispiel ausgeschliffene Fahr- gestellnummern ebenso nachweisen wie versteckte Schweißnähte, das Alter von Blechen und vieles mehr. Wer nutzt diese Möglichkeiten denn hauptsächlich? SH: Praktisch jeder, der sich mit klassischen Auto- mobilen befasst. Ein typischer Auftrag könnte von jemandem kommen, der ein Fahrzeug erwerben und wissen möchte, ob damit alles in Ordnung ist. Auch TÜV rHEInLAnD seriöse Verkäufer möchten sich gerne mit einem gerichtsbelastbaren Gutachten absichern. Auktions- häuser fragen ebenso bei uns an wie Gerichte oder Versicherer. Auch den Herstellern helfen wir gerne, in ihren Sammlungen oder bei Kundenanfragen Klarheit zu schaffen. In all diesen Fällen geht es nicht gleich um komplexe forensische Untersuchungen – oft reichen Abfragen bei spezialisierten Datenbanken, Herstellern, Partnern und unserem großen Netzwerk. Aber ein umfassendes Gutachten mit dem großen Besteck kann schon mal 100 Seiten umfassen. Aus dieser Bandbreite wird auch klar, dass es bei Ihnen nicht immer um hochpreisige Raritäten geht … SH: Ja, manchmal möchten Besitzer auch nur die Historie ihres Autos vervollständigen – da reicht es oft schon, uns Bilder zu schicken. Oder ein Motorradrestaurierer kann eine Rahmennummer nicht mehr entziffern. Wir können die ggf. wieder sichtbar machen und ihm offi ziell bescheinigen. Oft prüfen wir auch Dinge wie Felgen, Achsschenkel, Zylinderköpfe, Bremstrommeln etc., wenn Restaurierungsbetriebe wissen möchten, ob die Originalteile noch taugen, um sie wieder einzubauen. Und nicht zu vergessen: TÜV Rheinland übernimmt natürlich auch amtliche Dienstleistungen wie Haupt- untersuchungen, Änderungsabnahmen und Gutachten für H-Kennzeichen. „Zuhause“ sind Sie mit Ihrem Team in der Klassik- stadt Frankfurt. Wo können Oldtimer-Besitzer Ihre Dienstleistungen denn nutzen? SH: Nicht jedes klassische Fahrzeug ist fahrbereit, manche stehen in Sammlungen. Deshalb bieten wir alle unsere Services grundsätzlich mobil an, das heißt: Wir kommen dorthin, wo das Auto steht. Kontakt sebastian.hoffmann@de.tuv.com +49 172 862 7192 www.tuv.com/oldtimer CLASSIC DAYS 2023 27